Das eigentliche Original einer Originalgrafik ist die Druckplatte, der Druckstock. Da ich häufig die Technik der „verlorenen Form“ benutze – bei der vor jedem neuen Druckvorgang der Holzschnitt weiterbearbeitet und am Ende nur der letzte Zustand erhalten wird, die ursprüngliche Form also „verloren“ und die Auflage nicht wiederholbar ist – bleiben oft nur Bruchstücke des Motivs erhalten. Manche Platten werden ausgesägt, zerteilt, gedruckt, weiter geschnitten, gefräst, gebohrt, gebürstet und dann wieder wie ein Puzzle zusammengefügt. Die Hölzer behalten nach dem Druck ihre Einfärbung, Farbreste von Probeabzügen verwaschen sich in der Maserung. Bei weiterer Bearbeitung entstehen neue Schichten und das Relief tritt immer deutlicher zutage.
Ich sehe verzweigte Strukturen und bezaubernde Farbtöne, komme ins träumen und stelle die „verbrauchten“ Platten hinter die Druckpresse… Fundstücke ergänzen die Sammlung, triviale Bretter von Einwegpaletten, Überreste von Möbelstücken, Treibholz vom Elbestrand. Spinnen vernetzen zuverlässig und schnell alle Kostbarkeiten dieses kuriosen Archivs.
Waren die Druckformen anfangs nur Mittel zum Zweck und dienten der Vervielfältigung einer Idee, werden sie nun eigenständige Teile von Bildkompositionen oder bilden letztendlich das Motiv. Aus der Zeugkiste kommen alte Klischees und korrodierte Zeichen hinzu, aber auch zerbrochene Meterstäbe, Leisten und Schablonen. Die Spuren der Verwitterung und des Verfalls sind willkommene Begleiter und gehören zu den Voraussetzungen, um etwas Neues zu schaffen. Doch was ist schon neu? Die Vorstellung, daß meine Werke eines Tages in einem Depot oder auf einem Dachboden von Arachniden eingesponnen werden, um sie für einen Nachgeborenen mit dem gleichen „metaphysischen Code“ zu sichern, finde ich beruhigend…
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